Diverse Tiere

Zu Gast bei den sanften Riesen

von Christiane Flechtner

Der Bwindi Impenetrable Nationalpark im Südwesten Ugandas ist einer der letzten Lebensräume der seltenen und stark vom Aussterben bedrohten  Berggorillas. Von diesen sanften Riesen gibt es weltweit nur noch etwa 800. Im Nationalpark Ugandas, der 1994 in die Weltnaturerbeliste der UNESCO aufgenommen wurde, leben etwa 400 von ihnen.

Es ist früh am Morgen, als der Jeep an der Grenze zum 331 Quadratkilometer großen Nationalpark hält. Es präsentiert sich dichter Regen- und Bergwald, durchzogen von Nebelschwaden, so weit das Auge reicht. Kein Zweifel: Das ist das Zuhause der Berggorillas. Hier am Rande des Zentralafrikanischen Grabens auf dem höchsten Block des Rukiga-Hochlands in einer Höhe zwischen 1.600 und 2.400 Meter haben sie trotz immensen Bevölkerungswachstums und Urbanisierung über Jahrtausende überleben können.

Von hier aus geht es nur zu Fuß weiter, und zwar genau dorthin, wo sich die Berggorillas gerade aufhalten. Das kann ganz in der Nähe sein oder aber mehrere Kilometer entfernt.

Insgesamt sechs Gorillagruppen wurden bisher an Menschen gewöhnt.

ZWEI GORILLAS HABEN SICH AUF DIE BÄUME BEGEBEN, DENN HIER GIBT ES LECKERE BLÄTTER UND JUNGE ZWEIGE.

So wird den Touristen in kleinen Gruppen bis zu acht Personen die Möglichkeit gegeben, die seltenen Berggorillas aus der Nähe zu sehen.

Dieser besondere Besuch ist übrigens nicht ganz preiswert: 500 US-Dollar kostet das Permit für einen einzigen Tag. Doch das Geld ist sehr wichtig – nicht nur, um die Gorillas durch Wildhüter Tag und Nacht vor Wilderern zu schützen. Man versucht auch, die Interessen der lokalen Bevölkerung miteinzubeziehen und die Akzeptanz des Berggorilla-Schutzes zu erhöhen.

Auf dem Park lastet nämlich ein erheblicher Siedlungsdruck, und ein Teil der Tourismuseinnahmen kommt der Infrastruktur der angrenzenden Gemeinden zugute, zum Beispiel durch den Bau von Schulen.

 

Der Bevölkerung den Tierschutz nahezubringen, ist hier das Ziel.

DER REGENWALD IST NAHEZU UNDURCHDRINGLICH.

Denn sonst sind die Tage der sanften Riesen gezählt. Die Bedrohung ihrer Art liegt zum einen in der Zerstörung ihres Lebensraums in Ruanda, in Uganda und in der Demokratischen Republik Kongo durch die Rodung der Wälder. Hinzu kommen Bürgerkriege, welche die nötigen Schutzmaßnahmen immer wieder erschweren.

Einen weiteren Grund stellt die Bejagung wegen ihres Fleisches dar, und auch Krankheiten, insbesondere Ebola, ziehen die bereits angegriffenen Populationen in Mitleidenschaft. Der Tourismus und die damit verbundenen Einnahmen sind daher wichtig, um den Schutz der Tiere zu rechtfertigen.

Alle denken nur an das Ziel, endlich die Berggorilla-Gruppe zu erreichen.

Dann geht gar nichts mehr, und der Pistenschläger muss per Machete einen Pfad ins Dickicht schlagen. Und so geht es mühsam, Meter für Meter weiter. Das feuchte T-Shirt klebt seit Stunden am Körper, die Haare triefen vor Nässe.

Doch plötzlich steht die Zeit still. Der Führer, der Spurensucher und der bewaffnete Wildhüter geben zu verstehen: Wir sind am Ziel! Das undurchdringliche Grün gibt nur langsam den Blick frei auf die ersten Tiere. Hier, unentdeckt von der Außenwelt, sitzt ein junges Gorillamännchen am Boden und baut sich sein Schlafnest. Zweiglein für Zweiglein formt er sich sein eigenes weiches Ruhebett für die nächste Nacht. In seiner Nähe zwei Berggorilla-Weibchen auf dem weichen Boden. Etwas weiter abseits ruht der riesigeSilberrücken. Der Koloss, bis zu 200 Kilogramm schwer, bewegt sich nicht. Sein gewaltiger Rückenlässt seine Größe und Kraft nur erahnen. Lediglich der Brustkorb hebt und senkt sich langsam bei jedem Atemzug.

MORGENS UND ABENDS ÜBERZIEHEN DICHTE NEBELSCHWADEN DEN BWINDI IMPENETRABLE NATIONALPARK.

Jeder bewegt sich wie in Zeitlupe und versucht, den vorgeschriebenen Abstand von sieben Metern einzuhalten. Schließlich handelt es sich bei den Menschenaffen um wilde Tiere, die einerseits gefährlich, andererseits aber auch sehr anfällig für Krankheiten sind. Ein Schnupfen, Husten oder eine für Menschen eher ungefährliche Kinderkrankheit kann eine ganze Gruppe auslöschen. Nach einer Stunde geht es zurück, denn um die Verhaltensmuster nicht zu verändern, ist es nicht erlaubt, länger bei den sanften Riesen zu verweilen.

 

Zurück bleiben Tausende von ungeordneten Eindrücken und Erinnerungen.

Und so kreisen die Gedanken noch einmal um die schwarzen, sanften Riesen, die nicht einmal ahnen, dass nur wenige Kilometer von ihrem kleinen Paradies der Schutz des Regenwaldes endet und die Zuckerrohrplantagen beginnen. Die Monokulturen reichen bis zum Horizont und weiter. Die Tiere ahnen auch nicht, dass sich um sie herum 40 Millionen Menschen befinden und ihre Zahl sich bis 2050 noch verdoppelt. Und sie wissen auch nicht, dass sie die letzten Berggorillas auf diesem Planeten sind, die es zu bewahren gilt.

Fachleute unterscheiden bei den Gorillas zwei Arten: Östliche Gorillas (Gorilla beringei) und Westliche Gorillas (Gorilla gorilla). Jede dieser Arten hat zwei Unterarten: Im Westen leben die Westlichen Flachlandgorillas (Gorilla gorilla gorilla) und die Cross-River-Gorillas (Gorilla gorilla diehli); im Osten, in der Demokratischen Republik Kongo, in Ruanda und Uganda, leben die Berggorillas der Virunga-Vulkane und des Bwindi-Walds (Gorilla beringei beringei), die Grauergorillas oder Östlichen Flachlandgorillas (Gorilla beringei graueri) sind in der östlichen Demokratischen Republik Kongo beheimatet. Von den Bwindi-Gorillas gibt es noch etwa 400 Stück, die Zahl der Berggorillas an den Virunga-Vulkanen beläuft sich auf 480.

Für die meisten Populationen liegen keine zuverlässigen Angaben vor. In den letzten Jahren sind die Gorillas durch Jagd und Ebola stark reduziert worden. Alle Gorilla-Arten und-Unterarten sind nach der Roten Liste der IUCN bedroht.

Fotocredits

(c) Christiane Flechtner


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